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Wenn man ganz von vorne anfangen muss

June 16, 2025
von Medair
DR Kongo
„Was bleibt vom Leben übrig, wenn man ganz von vorne anfangen muss? Worauf können wir noch hoffen?“

Diese Frage stellt sich Isha, eine Mutter von vier Kindern, während sie ihr jüngstes Kind Hope, das eineinhalb Jahre alt ist, zärtlich im Arm hält. Wir befinden uns im Gesundheitszentrum in Buhumba, einem Dorf im Gebiet Nyiragongo im Osten der Demokratischen Republik Kongo.

Diese Frage stellt sich Isha, eine Mutter von vier Kindern, während sie ihr jüngstes Kind, die eineinhalbjährige Hope, zärtlich im Arm hält. Wir befinden uns im Gesundheitszentrum von Buhumba, einem Dorf im Gebiet Nyiragongo im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Noch vor wenigen Jahren war Buhumba ein gefährlicher Ort, geprägt von Gewalt und Angst. Immer wieder kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen, bis das Leben dort unmöglich wurde. Die Menschen mussten alles zurücklassen – ihre Häuser, ihre Erinnerungen, ihre Hoffnungen – und in den Vertriebenenlagern rund um Goma Schutz suchen.

Isha erinnert sich noch an den Tag, an dem sich ihr Leben veränderte:  

„Als die Angriffe unser Dorf erreichten, war ich auf dem Feld. Meine Kinder waren zu Hause. Meine Freunde riefen mir zu, ich solle fliehen – aber wie kann eine Mutter einfach weglaufen, ohne zu wissen, ob ihre Kinder noch leben? Mein Herz raste vor Angst, doch ich rannte los, um sie zu finden. Von diesem Moment an waren wir auf der Flucht – ins Unbekannte, nach Goma.“

Wie Tausende andere Familien fand Isha schließlich Zuflucht im Lager Kaynaruchinyna im Bushagara-Gebiet nördlich der Stadt Goma. Die Lebensbedingungen dort waren äußerst schwierig. Doch vor einigen Wochen, nach über zwei Jahren auf der Flucht, fasste sie den Mut zur Rückkehr nach Buhumba.

©MEDAIR / Daniel Wakandu: Isha und ihr Sohn Hope warten vor dem Buhumba-Gesundheitszentrum auf eine Beratung.

„Die Rückkehr war alles andere als einfach. Das Dorf war kaum wiederzuerkennen – wie ein Schatten seiner selbst. Mein Haus war durch eine Bombe zerstört worden. Die Häuser meiner Nachbarn standen zwar noch, waren aber geplündert worden. Ich konnte eine Plane auftreiben, um die Trümmer meines Daches notdürftig zu bedecken. Wir taten, was wir konnten, um dort zu überleben. Am schwersten war es, meine Kinder zu ernähren und medizinische Hilfe zu finden. Das Gesundheitszentrum war zerstört, geplündert und verlassen. Ich hatte grosse Angst. Ich dachte: Wir leben auf einem Friedhof. Aber wenn man das Schlimmste überstanden hat, findet man irgendwie die Kraft, weiterzumachen. Für mich bedeutete der Neuanfang, alles wieder aufzubauen – ein Dach über dem Kopf, einen Alltag und ein Gefühl von Würde.“

© MEDAIR / Daniel Wakandu: Frauen warten mit ihren Kindern auf eine Impfung im Buhumba-Gesundheitszentrum.

Die prekären Lebensbedingungen führten bald zur Ausbreitung von Krankheiten. Isha's Kinder wurden immer wieder krank – durch Kälte, Mückenstiche und verunreinigtes Wasser, das sie notgedrungen trinken mussten. Nach einer Einschätzung, die durch Warnungen des OCHA (UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) ausgelöst wurde, startete Medair ein Nothilfeprojekt. Ziel war es, der Bevölkerung kostenlosen Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen. Finanziert wurde das Projekt durch den Humanitarian Pool Fund in der DR Kongo.

Dr. Hilaire NDAJIBIYE, medizinischer Projektleiter bei Medair, erklärt:  

„ Buhumba ist ein besonders wichtiges Rückkehrgebiet. Die Menschen hier leben in großer Unsicherheit, sind zahlreichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt und haben kaum Mittel, sich selbst zu helfen. Unsere Unterstützung setzt genau dort an – im Einklang mit den nationalen Prioritäten und denen des Gesundheitsclusters.

Medair bietet kostenlose medizinische Grundversorgung, behandelt Unterernährung und hilft, Epidemien einzudämmen. Da das Gesundheitszentrum stark beschädigt war, haben wir es wieder instand gesetzt: Wir haben die Hauptgebäude, Latrinen und Duschen repariert, einen Müllentsorgungsbereich eingerichtet, eine Solaranlage installiert und – besonders wichtig – durch Wassertransporte sauberes Trinkwasser bereitgestellt. Denn genau das bleibt für die Menschen vor Ort ein dringender Bedarf.“

© MEDAIR / Daniel Wakandu: Dr. Hilaire und sein Team bei einem Kontrollbesuch im Buhumba-Gesundheitszentrum
© MEDAIR / Daniel Wakandu : Isha und ihr Sohn Hope holen Medikamente in der Apotheke ab.

Für Isha war diese Unterstützung eine grosse Erleichterung:

„Als ich hörte, dass Medair uns den Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung ermöglicht, habe ich mich riesig gefreut. Ich kannte sie schon – sie waren bereits im Lager in Bushagara für uns da. Sie behandelten uns und klärten über Krankheiten wie Cholera und Mpox auf.

Mein jüngstes Kind Hope ist erst eineinhalb Jahre alt. Er wurde im Lager geboren, in der Klinik von Medair. Wir haben schon so viel zusammen durchgestanden. Er war oft krank – wegen der Kälte, wegen der Mücken, wegen des schmutzigen Wassers. Nachts sass ich oft wach und hielt ihn im Arm, aus Angst, dass ich ihn verlieren würde.

Heute Morgen hatte Hope hohes Fieber. Ich brachte ihn ins Gesundheitszentrum. Er wurde sofort behandelt – und es geht ihm schon besser. Jeden Tag sehe ich, wie etwas mehr Leben in seine Augen zurückkehrt.“

© MEDAIR / Daniel Wakandu: Isha und ihr Sohn Hope im Behandlungsraum.

„Was Medair hier leistet, ist mehr als nur medizinische Hilfe. Es geht darum, Kindern wie Hope die Chance zu geben, aufzuwachsen, zu leben – und zu träumen. In einer Zeit, in der wir unser Leben ganz neu aufbauen müssen, zählt jede Geste. Jedes Medikament, jedes tröstende Wort, jedes Lächeln ist ein Versprechen für die Zukunft. Ich bin zutiefst dankbar.“

Heute leben mehr als 19.000 Menschen in der Gemeinde Buhumba – alle sind aus den Lagern zurückgekehrt, in der Hoffnung auf einen Neuanfang. Dank der Finanzierung durch den Country Based Pool Fund in der DR Kongo kann Medair weiterhin lebenswichtige Hilfe leisten – für Menschen wie Isha, die alles verloren haben, aber noch immer Hoffnung auf eine bessere Zukunft haben.

Hinweis: Dieser Inhalt wurde mithilfe von Ressourcen erstellt, die von Medair-Mitarbeitenden vor Ort und aus der Zentrale zusammengetragen wurden. Die geäußerten Ansichten spiegeln ausschließlich die Perspektive von Medair wider und stellen keine offizielle Meinung einer anderen Organisation dar.

June 16, 2025
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