Vergessen wir nicht
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"Man kämpft ums Überleben. Aber in meinem Alter wird das immer schwieriger. Man muss stark sein, wie unsere Notlage zeigt", sagt Khalil, 75, ein syrischer Mann.
Abdul, Kommunikationsbeauftragter von Medair Libanon
Im Libanon leben über 1,5 Millionen Menschen, viele von ihnen in überfüllten informellen Siedlungen. Sie finden sich über das ganze Land verstreut. Dort wohnen Familien, die aus Plastikplanen, Sperrholz und Holz gebaut sind und kaum Schutz vor den rauen Witterungsbedingungen bieten. Mit dem nahenden Winter drohen unablässiger Regen, starker Schneefall und heftige Winde. Dabei besteht die Gefahr, dass diese Unterkünfte überschwemmt werden oder einstürzen.
Aus diesem Grund begleitete begleitete ich unser für den Schutz vor Witterungsbedingungen verantwortliches Team, das Familien in informellen Siedlungen hilft, sich auf den Winter vorzubereiten. Dort lernte ich einen Mann kennen, dessen Geschichte die Stärke und die Ausdauer derer widerspiegelt, die so viel verloren haben und dennoch nicht aufgeben.
Khalil, 75, ein syrischer Mann, hat seit seiner Flucht aus Syrien jahrelang in einem Zelt gelebt. Was als vorübergehend gedacht war, ist zu einem langen, ungewissen Abschnitt seines Lebens geworden. Er erinnerte mich an meinen Grossvater, der Anfang dieses Jahres verstorben ist. Khalil war sanft und entgegenkommend. Seine Stimme heiser und zittrig, gezeichnet von Alter und Erfahrung. Für mich beinhaltete sie das ganze Gewicht eines langen Lebens. Seine Anwesenheit war tröstlich, ähnlich wie die meines Grossvaters, wenn er mich rief, damit ich mich neben ihn setzte. Ich fragte Khalil vorsichtig, ob es ihm nichts ausmachen würde, wenn ich ihn ein wenig besser kennenlernen würde - und vielleicht, wenn er sich wohlfühlte, seine Geschichte mit mir teilen würde.
Als ich neben Khalil sass, ertappte ich mich dabei, wie ich ihn aufmerksam betrachtete. Ich nahm jedes Detail wahr, sein Gesicht, seine Körperhaltung, die Freundlichkeit, die er ausstrahlte. Die Falten in seinem Gesicht waren tief und zeugten von Härte und Leid. Seine Augen waren sanft, aber sie trugen eine stille Stärke in sich - als hätten sie mehr erlebt, als Worte ausdrücken könnten. Seine Arme ruhten ruhig auf seinem Schoss. Kräftig und fest. Ich fühlte mich geerdet, als würde er mich in seine Welt einladen, ohne dass ich viel sagen müsste.
Ich möchte, dass Sie sich den Klang von Khalils Stimme vorstellen, während er mir das Folgende erzählt: "Wir flohen, um unser Leben zu retten. Meine Frau und ich haben alles hinter uns gelassen. Ich sage mir: 'Es ist okay. Es wird nur eine Weile dauern.' Aber Jahr für Jahr, Krise für Krise, wird der Kampf immer härter. Es gibt nicht mehr viel, was wir uns leisten können. Medikamente, Lebensmittel, Wasser - all das ist knapp geworden. Und dann bringt dich etwas - jemand - wieder zur Vernunft. Man macht weiter. Man muss stark sein, wie unsere Notlage zeigt. Doch schliesslich sind wir alle Menschen. Und manchmal geben wir einfach auf."
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Khalil holt eine alte Tasche heraus und verstreut ihren Inhalt auf dem Boden. Er kniet sich hin und stützt sich mit dem Arm auf dem Knie ab. Ich sehe ihn und knie mich instinktiv neben ihn. Er sieht mich an und sagt: "Sehen Sie sich die leeren Medikamentenpackungen an. Das meiste von dem, was du hier siehst, kann ich mir nicht mehr leisten. Ich kann mich nicht mehr gesund halten. Einiges davon ist lebensnotwendig für mich. Aber mit dem Wenigen, das wir haben, wurden die meisten meiner eigenen Bedürfnisse nebensächlich. Wir leben und sterben durch die Gottes Gnade, das ist meine Realität, das akzeptiere ich. Nach all den Jahren versuche ich immer noch, meinen Weg nach Hause zu finden."
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Mit der Unterstützung des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) führen prüft das Team von Medair die Wetterfestigkeit von Unterkünften. Dafür besuchen wir Familien, die in informellen Siedlungen leben, um den Zustand ihrer Unterkünfte zu beurteilen und ihnen zu helfen, sich auf die bevorstehenden Wintermonate vorzubereiten. Ziel dieser Massnahmen ist es, die Auswirkungen extremer Witterungsbedingungen zu verringern und sicherzustellen, dass Familien den Schutz haben, den sie brauchen.
Während wir unserem Alltag nachgehen, übersehen wir leicht die Kämpfe, die sich um uns herum abspielen. In unserem eigenen Komfort sei es eine Klimaanlage im Sommer, eine Winterjacke, oder ein Routinebesuch in der Apotheke oder ein Essen mit unseren Lieben, vergessen wir vielleicht, dass es unzählige Geschichten wie die von Khalil gibt. Schaffen wir Raum für diese Geschichten.
Die Arbeit von Medair im Libanon wird durch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), den Libanon Humanitarian Fund (LHF), das Auswärtige Amt (AA), Glückskette, USAID und die grosszügige Unterstützung der amerikanischen Bevölkerung, der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit durch Interaction-CH, Radiohjalpen, LM International und grosszügige private Spender ermöglicht.
Dieser Inhalt wurde von Mitarbeitenden von Medair vor Ort und am internationalen Hauptsitz erstellt. Die darin enthaltenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und sind in keiner Weise auf offizielle Meinung anderer Organisation übertragbar.
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