Wege der Hoffnung
Wege der Hoffnung
«Ich heisse Adele und komme aus Rugari, einem kleinen Dorf inmitten der Berge in Rusturu in der Demokratischen Republik Kongo. Als ich vor 65 Jahren geboren wurde, herrschte noch Frieden. Aber vor zwei Jahren wurde unser bombardiert und wir mussten fliehen.
Mein Enkel Faustin war noch ein Kind. Seine Eltern kamen bei diesen schrecklichen Angriffen ums Leben. Sie konnten das Dorf nicht mehr rechtzeitig erreichen und bis heute weiss ich nicht, wo sie begraben sind. Seine Eltern waren alles, was Faustin hatte, und ihr Tod hat eine riesige Lücke hinterlassen. Ich habe Faustin zu mir genommen und mir fest vorgenommen, ihm trotz der Herausforderungen eine Zukunft zu bieten.»
Bei unserer Flucht haben wir Rugari verlassen und alle Erinnerungen an ein glückliches Leben hinter uns gelassen. Bis nach Goma waren es über 40 km. Wir sind zu Fuss gelaufen. Jeder Schritt war ein Kampf, und jede Nacht standen wir neu vor der Herausforderung, eine Unterkunft zu finden.
Zuerst sind wir in das Auffanglager in Kibati gekommen und von da wurden wir in das Lager Mudja geschickt, wo wir jetzt sind. Als wir ankamen, war das Elend spürbar. Die Zelte standen dicht an dicht und in die müden Gesichter der Menschen haben sich Geschichten von Verlust und Verzweiflung eingegraben. Für eine alte Frau wie mich ist das Leben hier ein täglicher Kampf gegen Hunger, Krankheit und Einsamkeit.»
Das Lager Mudja befindet sich im Norden der Stadt Goma. Es beherbergt bislang mehr als 19 908 Menschen, alle aus Orten, in den gekämpft wurde. In der Umgebung von Goma sind seit Anfang des Jahres mehrere Lager für Binnenvertriebene entstanden. Die jüngsten Zusammenstösse konzentrierten sich auf das Gebiet Masisi, insbesondere die Stadt Saké, die 20 km westlich der Stadt Goma liegt. Die Bewohner Sakés sind alle geflohen. In der Provinz Nord-Kivu gibt es nach den jüngsten Kämpfen inzwischen mehr als 2,7 Millionen Binnenvertriebene.
Medair hat im Februar 2024 im Lager Mudja eine Pflegestation eingerichtet, in der Kranke ambulant versorgt werden. Dorthin gehen Adele und ihr Enkel Faustin regelmässig.
«Die Station in unserem Lager bringt etwas Licht in unsere Dunkelheit. Dass wir hier kostenlose Behandlung bekommen, ist sehr wertvoll und lindert unser Leid ein wenig. Faustin und ich gehen regelmässig hin und jedes Mal heisst man uns freundlich willkommen. Sie haben uns viel mehr als Medikamente und Verbandsmaterial gegeben. Sie haben uns Hoffnung gegeben. Sie haben uns daran erinnert, dass die Menschheit selbst in den dunkelsten Zeiten noch leuchten kann. Und dafür bin ich Ihnen dankbar.»
Heute leben Adele und Faustin bescheiden in einer Unterkunft im Flüchtlingslager Mudja. Sie sind nur ein Beispiel für die Widerstandsfähigkeit der von Konflikten betroffenen kongolesischen Gemeinschaften. Nach zwei anstrengenden Jahren, in denen sie von Zelt zu Zelt gezogen sind, gibt es nichts, das sie sehnlicher erhoffen als Frieden und die damit einhergehende Möglichkeit, in ihr Dorf zurückkehren.
«Wir sind vielleicht nur zwei von vielen, aber die medizinische Hilfe von Medair in der Pflegestation ist eine grosse Erleichterung und macht einen echten Unterschied. Jeden Morgen sehe ich die Sonne aufgehen und weiss, dass es Hoffnung gibt. Vielen, vielen Dank. Danke für Ihre Hilfe, für Ihre Zuneigung und vor allem dafür, dass Sie uns den Glauben an die Menschlichkeit wiedergegeben haben.»