«Der Neun-Sitzungs-Effekt»
Bei vielen Jugendlichen sind das Umfeld und die schwierigen Bedingungen, denen sie ausgesetzt sind, für eine Reihe psychischer Probleme verantwortlich. Oft leiden sie im Stillen und haben Angst, die Situation nicht bewältigen zu können.
In Jordanien will Medair einen Beitrag zur psychosozialen Gesundheit vulnerabler Geflüchteten und Lokaler leisten und setzt sich dafür ein, dass sie Zugang zu entsprechenden Angeboten haben.
Die psychosoziale Unterstützung von Medair zielen darauf ab, dass Traumata verarbeitet werden können, die Teilnehmende in der Vergangenheit aufgrund von Konflikten, Gewalt und der angespannten Wirtschaftslage erlitten haben. Die Sitzungen helfen den Teilnehmenden, mit ihren Gefühlen umzugehen und Resilienz aufzubauen. Sie vermitteln Bewältigungsstrategien zu Themen wie Verlust und Trauer, Depressionen, Ängsten und Stress. Jugendlichen wird erklärt, wie ihr Körper ihre Gefühle beeinflussen kann, und wie sie Stigmatisierungen begegnen können.
Mahmoud Al Jawarneh begann seine Reise als Freiwilliger beim psychosozialen Unterstützungsteam von Medair im Februar 2022 in Irbid, Jordanien. Im Rahmen dieses Programms hat er Moderationstechniken erlernt. Mahmoud beschreibt seine Erfahrungen so: «Die besprochenen Themen liegen allen Menschen am Herzen, und die Sitzungen haben uns einander nähergebracht. Ich kann die Gefühle der Teilnehmenden besser nachvollziehen und mich in sie hineinversetzen. Durch die Sitzungen habe ich erkannt, was humanitäre Bedürfnisse sind und wie wichtig es ist, auf sie einzugehen.»
Lama ist eine 16-jährige syrische Geflüchtete. Sie nimmt an den von Mahmoud geleiteten Selbsthilfegruppen teil. Dadurch hat sie gelernt, sich besser mitzuteilen und ihre sozialen Kompetenzen verbessert. Sie kann ihre Gefühlslage nun klarer formulieren.
Lama erzählt: «Zu Beginn der Sitzungen war ich schüchtern und habe nicht viel gesagt. Es war das erste Mal, dass ich diese Leute getroffen habe, aber nachdem wir uns unterhalten hatten, hatte ich das Gefühl, sie schon ewig zu kennen. Das Team von Medair hat die Themen erklärt, darunter «Ich und meine Zukunft» oder «Ich und meine Familie». Diese Themen sind praktisch und tiefgründig, und es fiel uns durch die Art und Weise, wie Dinge beschrieben wurden, leicht, sie zu verstehen. Sie haben Fragen gestellt, die uns halfen, uns selbst kennenzulernen. Vorher war es durch den vielen Schmerz und Verlust so dunkel in meinem Herzen, aber die Sitzungen haben geholfen, ungesunde Glaubenssätze zu erkennen und uns selbst und andere zu akzeptieren.»
Mahmoud sagt, er habe beobachten können, wie sich Teenager durch die Sitzungen mehr und mehr entwickelten. Nach Abschluss des aus neun Sitzungen bestehenden Programms, können die Teilnehmenden eine Veränderung an sich selbst feststellen.
Einige Sitzungen richten sich an Betreuungspersonen und Eltern und bieten ihnen die Möglichkeit, mit ihren Kindern zusammenzukommen. Sie zielen auf die Verbesserung der Kommunikation und wie die Kluft zwischen Kindern und Eltern oder Betreuungspersonen überwunden werden kann. «Die Sitzungen haben die Kommunikation in der Familie verbessert», konstatiert Lamas Betreuungsperson.
«Die Sitzungen werden mir für immer in Erinnerung bleiben. Ich habe gelernt, wie ich mit Eltern sprechen sollte und wie die Beziehung zwischen uns zu einer Freundschaft werden kann. Ich möchte meinen Eltern sagen, dass ich euch mehr als alles andere auf der Welt liebe und dass ich so froh bin, eure Tochter zu sein», sagt Lama.
Viele Eltern entdeckten in diesen Sitzungen auch, wie sie ihre Kinder stärken können.
Mahmoud erzählt, wie Medair durch die Sitzungen auch das Bewusstsein der Teilnehmenden schärft. «Durch Gruppen- und individuelle psychosoziale Unterstützungssitzungen lernen sie, sich selbst zu verstehen und mit ihren Gefühlen in verschiedenen Lebenslagen umzugehen», sagt er.
Medair hat sich zum Ziel gesetzt, die psychische Gesundheit und das psychosoziale Wohlbefinden der am stärksten gefährdeten Menschen in den Gemeinden zu stärken.
Die psychosozialen Unterstützungsleistungen von Medair in Jordanien werden vom Auswärtigen Amt, dem U.S. State Department’s Bureau of Population, Refugees, and Migration (PRM) sowie durch private Spenden ermöglicht.
Dieser Artikel wurde von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und am internationalen Hauptsitz verfasst. Die vertretenen Ansichten sind ausschliesslich die von Medair und in keiner Weise auf offizielle Positionen anderer Hilfsorganisationen übertragbar.